Weiblicher DEFA Gegenwartsfilm der 1970er und 1980er Jahre
von Katrin Kastenmeier
„Nach zehn, zwanzig, dreißig Jahren bekommen auch fiktive Geschichten den Charakter von Dokumenten. Vielleicht beschreibt der Film ein bestimmtes Lebensgefühl in einem bestimmten Moment. Und gibt damit dem, der sich dafür interessiert, auch Auskunft über ein nicht mehr vorhandenes Land“ [1].
Diese Aussage zeigt die Relevanz von Filmproduktionen der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) für die zeitgeschichtliche Forschung. Während männliche DEFA-Regisseure und ihre Werke in den vergangenen dreißig Jahren viel mediale sowie akademische Aufmerksamkeit erfahren haben, lohnt es sich, den Blickwinkel zu wechseln und den Fokus stärker auf weibliche Filmschaffende der DDR zu legen. Denn, mehr als sechzig Regisseurinnen sind zwischen 1946 und 1992 bei der DEFA tätig. Sie drehen Spiel- und Dokumentarfilme, arbeiten beim populärwissenschaftlichen und Werbefilm, im Trickfilmstudio und bei der Wochenschau DER AUGENZEUGE. In der öffentlichen Wahrnehmung führen sie jedoch ein Schattendasein, zumal ihre männlichen Kollegen explizit für sogenannte Frauenfilme geehrt werden. Erst in der Rückschau wird deutlich sichtbar, welch zentraler Teil der DEFA-Filmgeschichte die Werke der Regisseurinnen sind.
Doch konnten sich die Regisseurinnen den kulturpolitischen Vorgaben besser entziehen als ihre Kollegen? Wurden sie der Staatsdoktrin entsprechend gefördert oder wurden ihnen Steine in den Weg gelegt? Wie spiegeln sich Anpassung, Auflehnung, Zensur und verhinderte Chancen?
Hierfür werden exemplarisch die beiden DEFA-Gegenwartsspielfilme DIE TAUBE AUF DEM DACH (1973) und KASKADE RÜCKWÄRTS (1983) von Regisseurin Iris Gusner herangezogen, sowie ihre Karriere unter kulturpolitischen Schwankungen betrachtet. Der DEFA als einzige und zentrale Produktionsstätte für ostdeutschen Film fällt dabei eine besondere Gewichtung innerhalb ideologischer Richtlinien der DDR-Kulturpolitik zu. Mit der Auseinandersetzung von weiblichen Produktionen in diesem System, kann ein Beitrag dazu geleistet werden, ein stärkeres Nachdenken darüber zu entfachen, welche Anteile Frauen am audiovisuellen Archiv der Gesellschaft, an Bildergeschichten, Rollenzuschreibungen und der Prägung der Gegenwart haben.
[1] Wolfgang Kohlhaase, Die sinnliche Erfindung des Augenblicks, in: Wolfgang Trampe (Hg.), Erzählen für den Film. Gespräche mit Autoren der DEFA, Berlin 2004, 185.