Der Umgang mit baulichen NS-Luftschutzhinterlassenschaften in Wien und Berlin der 1970er und 1980er Jahre

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von Philipp Schmid

Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Städten war der Umgang mit den Bauwerken während der Besatzungszeit. In Berlin kam es im Zuge der Entmilitarisierung Deutschlands zu groß angelegten Sprengungen. Dies betraf sowohl zahlreiche Bunkeranlagen[1] als auch die Berliner Flaktürme, welche allesamt gesprengt wurden[2].  In Wien gab es keine groß angelegten Vorhaben zu Bunkersprengungen, abgesehen von einzelnen Sprengungen wie beispielsweise beim Bunker am Phorusplatz[3]. Die Wiener Flaktürme befinden sich im Gegensatz zu den Berliner Türmen in dicht bebautem Gebiet und eine Sprengung hätte zu Schäden im umliegenden Stadtgebiet geführt[4]. Einzig im Gefechtsturm Augarten kam es 1950 von den alliierten Besatzungstruppen zu Sprengversuchen[5]. Umgesetzte Konzepte zur Nachnutzung der Wiener Flaktürme blieben trotzdem aus. Ausnahme bildet hierbei das Turmpaar Stiftskaserne/Esterházypark[6]. Bei der Nachnutzung oberirdischer Luftschutzanlagen konnten Parallelen zwischen Wien und Berlin festgestellt werden. Die meisten Bunker wurden in den 1970er und 1980er Jahren zu Lagerzwecken genutzt. In Wien wurde beispielsweise der Bunker im Schönbornpark ab dem Jahr 1978 als Depot das Volkskundemuseums genutzt[7]. In Berlin diente der sogenannte Fichtebunker ab 1963 über mehrere Jahre hinweg als Lebensmittellager[8]. Ausnahmen finden sich hierbei in Berlin insofern, als manch eine Bunkeranlage Ende der 1970er Jahre für Zivilschutzzwecke reaktiviert wurde[9]. Weder in Wien noch in Berlin gab es in den 1970er und 1980er Jahren Ambitionen, Bunkeranlagen für Erinnerungszwecke umzugestalten bzw. zugänglich zu machen. Dieser Prozess setzte in beiden Städten erst später ein. In Wien wurde 2005 beispielsweise der Bunker im Arne-Carlsson-Park zum Erinnerungsbunker umgewandelt[10] und seit 2008 beschäftigt sich auch das Haus des Meeres mit seiner Vergangenheit. Unter „Erinnern im Inneren“ wurde von Dr. Marcello La Speranza ein Museumsraum eingerichtet, welcher sich mit der Geschichte des Turms auseinandersetzt[11]. In Berlin setzte diese Entwicklung Anfang der 2000er Jahre ein, wo unterschiedlichste Anlagen für Führungen geöffnet wurden und den Besucher*innen eine kritische Auseinandersetzung geboten wird[12].

 

 

Literatur zum Blog-Beitrag

Ute Bauer, Die Wiener Flaktürme im Spiegel österreichischer Erinnerungskultur, Wien 2003.

Robert Bouchal/Marcello La Speranza, Wien. Die letzten Spuren des Krieges. Relikte und Entdeckungen, Wien/Graz/Klagenfurt, 2012

Erinnern im Inneren – das Flakturm Museum, Haus des Meeres, www.haus-des-meeres.at/geschichte/573 (abgerufen 20.07.2023).

Erinnerungsbunker,    Wiener    Bezirksmuseum 9. Alsergrund, www.bezirksmuseum.at/de/bezirksmuseum_9/bezirksmuseum/erinnerungsbunker/ (abgerufen 20.07.2023).

Michael Foedrowitz, Die Flaktürme. Berlin – Hamburg – Wien, Berlin 2017.

Führung. Erinnerungskultur am Beispiel Luftschutzbunker im Schönbornpark, Volkskundemuseum Wien, www.volkskundemuseum.at/fuehrung_2022-09-29_3 (abgerufen 20.07.2023).

Geschichtsspeicher Fichtebunker, Berliner Unterwelten E.V., www.berliner-unterwelten.de/fuehrungen/oeffentliche-fuehrungen/geschichtsspeicher-fichtebunker.html (abgerufen 20.07.2023).

Holger Happel, Bunker in Berlin. Zeitzeugnisse des Zweiten Weltkrieges, Berlin 2015.

Sprengungen der Russen im Augarten-Flakturm, Wiener Kurier, 03.04.1950, 3./ Weitere Sprengungen im Augarten-Flakturm, Die Weltpresse, 21.04.1950, 8.


[1] Vgl. Holger Happel, Bunker in Berlin. Zeitzeugnisse des Zweiten Weltkrieges, Berlin 2015,21.

[2] Vgl. Michael Foedrowitz, Die Flaktürme. Berlin – Hamburg – Wien, Berlin 2017, 169.

[3] Vgl. Robert Bouchal/Marcello La Speranza, Wien. Die letzten Spuren des Krieges. Relikte und Entdeckungen, Wien/Graz/Klagenfurt, 2012, 46.

[4] Vgl. Ute Bauer, Die Wiener Flaktürme im Spiegel österreichischer Erinnerungskultur, Wien 2003, 20.

[5] Sprengungen der Russen im Augarten-Flakturm, Wiener Kurier, 03.04.1950, 3./ Weitere Sprengungen im Augarten-Flakturm, Die Weltpresse, 21.04.1950, 8

[6] Vgl. Bauer, Flaktürme, 8.

[7] Vgl. Führung. Erinnerungskultur am Beispiel Luftschutzbunker im Schönbornpark, Volkskundemuseum Wien, www.volkskundemuseum.at/fuehrung_2022-09-29_3 (abgerufen 20.07.2023).

[8] Vgl. Geschichtsspeicher Fichtebunker, Berliner Unterwelten E.V., www.berliner-unterwelten.de/fuehrungen/oeffentliche-fuehrungen/geschichtsspeicher-fichtebunker.html (abgerufen 20.07.2023).

[9] Vgl. Happel, Bunker, 25.

[10] Vgl. Erinnerungsbunker, Wiener Bezirksmuseum 9. Alsergrund, www.bezirksmuseum.at/de/bezirksmuseum_9/bezirksmuseum/erinnerungsbunker/ (abgerufen 20.07.2023).

[11] Vgl. Erinnern im Inneren – das Flakturm Museum, Haus des Meeres, www.haus-des-meeres.at/geschichte/573 (abgerufen 20.07.2023).

[12] Vgl. Happel, Bunker, 31.