Neutralität im Wandel: Die KSZE und ihre Auswirkungen auf die Schweiz und Österreich
von Luca Trenker
Während des Kalten Krieges spielte die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) eine entscheidende Rolle bei der Förderung von Entspannung, Zusammenarbeit und Frieden in Europa.[1] Sowohl die Schweiz als auch Österreich, zwei neutrale Länder, nutzten die KSZE als einzigartige Plattform, um ihre Prinzipien der Neutralität und Diplomatie zu betonen und ihre internationale Rolle als unabhängige Akteure zu stärken.[2]
Die Schweiz hat eine lange Geschichte der Neutralität, die bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht. Offiziell wurde ihre Neutralität jedoch im Wiener Kongress von 1815 anerkannt und später in der Bundesverfassung von 1848 verankert.[3] Während des Ersten und Zweiten Weltkriegs blieb die Schweiz neutral, übernahm jedoch eine Vermittlerrolle und half als humanitäre Helferin Kriegsgefangenen und Vertriebenen.[4]
Im Gegensatz dazu entwickelte Österreich seine Neutralität nach dem Zweiten Weltkrieg, um sich vor einer erneuten Besetzung und möglichen Konflikten mit den Siegermächten zu schützen. Österreich erklärte sich freiwillig zur Neutralität, um seine Souveränität zu bewahren und keine Verpflichtungen gegenüber anderen Staaten oder militärischen Bündnissen einzugehen.[5] Unter Bundeskanzler Bruno Kreisky (1970-1983) betonte Österreich eine aktivere Rolle in internationalen Angelegenheiten, wobei die Neutralitätspolitik des Landes im Vordergrund stand.[6]
Die KSZE wurde 1972 in Helsinki gestartet und hatte das Ziel, die Entspannung und Zusammenarbeit zwischen den Staaten in Europa zu fördern. Die Konferenz sollte politische, militärische und wirtschaftliche Fragen besprechen und die Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa stärken. Die KSZE hatte eine tiefgreifende Bedeutung für die internationale Sicherheit während des Kalten Krieges und half, die Spannungen zwischen den Ost- und Westblock- Staaten zu reduzieren.[7]
Die Schweiz nutzte die KSZE, um ihre Position als neutrales Land zu stärken und ihre Rolle als vertrauenswürdige und zuverlässige Vermittlerin zu betonen. Die Konferenz half, die Anerkennung der schweizerischen Neutralität in der internationalen Gemeinschaft zu stärken und ihr Ansehen als Partner für die Förderung von Frieden und Entspannung in Europa zu festigen.[8] Auch die Teilnahme Österreichs an der KSZE und seine Bemühungen um Entspannung und Zusammenarbeit in Europa zeigten, dass das Land eine aktivere Rolle bei der Förderung der Ost-West-Entspannungspolitik einnahm und weniger zurückhaltend war, wenn es darum ging, Beziehungen mit den Ostblock-Staaten zu pflegen, als es bei der Schweiz der Fall war.[9]
Die KSZE-Verhandlungen stellten zweifellos einen Wendepunkt im Kalten Krieg dar. Die Konferenz half, die Kommunikationskanäle zwischen den Supermächten zu stärken, das Risiko eines unbeabsichtigten Krieges zu verringern und förderte die Zusammenarbeit und den Dialog zwischen Ost und West. Die Teilnahme der neutralen Länder Schweiz und Österreich an der KSZE trug dazu bei, die Bedeutung ihrer Rolle in der internationalen Diplomatie zu betonen und ihre Prinzipien der Neutralität als Instrumente zur Förderung des Friedens hervorzuheben.
[1] Vgl. Helmut Altrichter/Hermann Wentker, Einleitung, in: Helmut Altrichter/Hermann Wentker (Hg.), Der KSZE-Prozess. Vom Kalten Krieg zu einem neuen Europa 1975 bis 1990, Berlin/Boston 2010, 7-14, hier 7f.
[2] Vgl. Philip Rosin, Die Schweiz im KSZE-Prozeß 1972-1983. Einfluß durch Neutralität, München 2014, 33-35.
[3] Vgl. Ebda. 11f.
[4] Vgl. Ernst Bohnenblust, Geschichte der Schweiz. Erlenbach-Zürich 1974, 501-506.
[5] Vgl. Julia Schreiner, Neutralität nach “Schweizer Muster”? Österreichische Völkerrechtslehre zur immerwährenden Neutralität, 1955-1989, Baden-Baden 2018, 35f.
[6] Vgl. Benjamin Gilde, Österreich im KSZE-Prozess 1969-1983. Neutraler Vermittler in humanitärer Mission. München 2013, 27-30.
[7] Vgl. Christoph Breitenmoser, Sicherheit für Europa. Die KSZE-Politik der Schweiz bis zur Unterzeichnung der Helsinki-Schlussakte zwischen Skepsis und aktivem Engagement, in: Zürcher Beiträge zur Sicherheitspolitik und Konfliktforschung 40 (Zürich 1996), 39-44.
[8] Vgl. Rosin, Die Schweiz im KSZE-Prozeß, 51f.
[9] Vgl. Hanspeter Neuhold, Dauernde Neutralität und Staatsvertrag: Völkerrechtliche und aussenpolitische Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Österreich und der Schweiz, in: Leopold Rettinger/Ernst Popp (Hg.), Österreichische und Schweizer Zeitgeschichte ab 1945 im Vergleich. Bericht über das bilaterale Lehrerfortbildungsseminar „Österreichische und Schweizer Zeitgeschichte ab 1945 im Vergleich“ Linz, 21. bis 26. April 1985, Wien 1986, 51-60, hier 56f.