Die diskriminierende Gleichstellung von Homosexualität und Promiskuität und Aids

von Nele Marie Hofmann

 

Erst seit Herbst 2022 dürfen Männer, die Sex mit Männern haben, wieder Blut spenden. Die vorher geltende Regelung wurde Anfang der 1980er Jahre eingeführt, um das Risiko von Blutspenden zu minimieren, die mit dem HI-Virus infiziert waren. Obwohl sich diese Diskriminierung schon seit einiger Zeit mit mehr legitimieren lässt, blieb die Regelung so lange erhalten. Aids ist eine Krankheit, die seit ihrem Aufkommen 1981 im öffentlichen Diskurs eng mit Homosexualität verknüpft ist. Noch bis heute halten sich Vorurteile und irrationale Ängste hartnäckig und sind geprägt von queerfeindlichen Verallgemeinerungen und Fehlinformation. Ein Narrativ, das sich immer wieder beobachten lässt, ist die fahrlässige Verknüpfung von männlicher Homosexualität mit Promiskuität und eine daraus resultierende Gleichstellung von Aids mit Homosexualität. Der Psychoanalytiker Paul Parin unternahm 1987 den Versuch die Überreaktion auf die Krankheit mit dem Phänomen der Verschiebung zu erklären.[1]

Menschen tendieren laut Parin dazu Ängste, gegen die sie sich ohnmächtig fühlen auf andere Gefahren zu projizieren, vor denen sie sich selbst geschützter fühlen weniger ausgeliefert fühlen. Eine Krankheit wie Aids eignet sich dazu besonders, da sie sich zusätzlich noch auf eine sowieso sozial ausgegrenzte Gruppe begrenzen lässt. Ein moralisierendes Überlegenheitsgefühl gekoppelt mit der tugendhaften Idee der Abstinenz und Selbstdisziplinierung wird als Ventil gegen eine generelle Ohnmacht instrumentalisiert. Sog. Promiskuität, also wechselnde Geschlechtspartner*innen zu haben wird zum Risikoverhalten erklärt und der eigentlich relevante Umstand, der sexuellen Verhütung als Schutz vor Aids, außer Acht gelassen. Der mediale Umgang mit dem Thema wird scharf kritisiert. 1987 hat der ORF sechs Sendungen ausgestrahlt, die sich mit dem Thema Aids beschäftigen. Das Programm setzte sich mit mehreren Blickwinkeln auf die Krankheit auseinander, ließ Betroffene zu Wort kommen und klärte auf. Wirft man allerdings einen genaueren Blick auf die Art und Weise wie queere Liebe präsentiert wird, lässt sich die schon erwähnte Gleichstellung von Homosexualität und Promiskuität auch hier beobachten. Ist in den Programmen beispielsweise von Sex die Rede, werden Aufnahmen von einem jungen Heteropaar gezeigt, das sich liebevoll umarmt. Ist die Rede von Homosexualität wird im Gegenteil kein Paar gezeigt, sondern junge Menschen im Club oder einer Bar, die tanzen und feiern.[2]

Obwohl betont wird, dass Männer, die Sex mit Männern haben besonders gefährdet sind, wird Queerness nie in einer Beziehungsform gezeigt, sondern nur durch Clubszenen suggeriert. Faktisch wird also nie queere Liebe gezeigt, stattdessen nur implizit verantwortungsloses, queeres Sexualverhalten. Es entsteht ein Bild von Leichtsinnigkeit und Täter*innenschaft, das wiederrum eng mit Homosexualität verknüpft ist, zum Beispiel indem Homosexualität selbst als Risikoverhalten benannt wird. In dem WIR Beitrag vom 11.06.1987 zum Thema Blut spenden lässt sich bspw. folgender Satz finden: „Fragen nach aidsspezifischem Risikoverhalten wie intravenöse Drogenabhängigkeit oder Homosexualität sind ein erster Schutzwall vor Infektionen für die Empfänger“[3]

Während einerseits nicht monogame Beziehungsformen verurteilt wurden, waren queere Menschen in monogamen Beziehungen weder rechtlich noch sozial gleichgestellt. Queere Ehe ist in Österreich beispielsweise erst seit 2019 erlaubt. Die zeitgenössischen Sendungen aus heutiger Sicht zu analysieren, kann sensibilisieren um eine antidiskriminierende, kritische Haltung einzunehmen und argumentieren zu können.


[1] Paul Parin, die Mystifizierung von Aids, in: Volkmar Sigusch (Hg.), Aids als Risiko, Über den gesellschaftlichen Umgang mit einer Krankheit, URL: paul-parin.info/wp-content/uploads/texte/deutsch/1987n.pdf, Hamburg 1987, 54-66.

[2] ORF, Multimediales Archiv, WIR, AIDS-Wissenschaft (Gestaltung: Gerlinde Schreiber), 10.06.1987, 00:01:40.

[3] ORF Multimediales Archiv, WIR, Aids Beratungsstellen (Gestaltung: Angelika Doucha),11.06.1987, 00:12:53- 00:13:05.