Johann Roner: Die Gewerbeschule der Stadt Zürich 1780-1913, Zürich 1914, Beilage 7, in: Christoph Rauhut: Die Praxis der Baustelle um 1900. Das Zürcher Stadthaus, Zürich 2017, S. 73.

Beteiligte

Claudia Kraft
Herbert Posch
Markus Stumpf
Maria Wirth

Ehemalige Beteiligte

Linda Erker
Katharina Kreuder-Sonnen
Carola Sachse
Friedrich Stadler

Zeitgeschichte als Wissens- und Wissenschaftsgeschichte

Die am Schwerpunkt Beteiligten Forscher*innen möchten grundlegende Kategorien der Zeitgeschichtsschreibung wissenshistorisch hinterfragen und von dort aus innovative zeithistorische Erzählungen entwerfen. Wissen begreifen wir dabei stets als historisch, sozial und lokal situiert. Wir gehen zudem den transnationalen Zirkulationen und Aneignungen von Wissen nach. Das Wissen, das wir untersuchen, findet seinen Kristallisationskern häufig in den Wissenschaften, geht aber gerade auch darüber hinaus. Insbesondere nicht-wissenschaftliche Akteur*innen und ihre Wissensformen und -praktiken werden in die Analyse einbezogen.

Eine zentrale Kategorie, die wir auf diese Weise untersuchen, ist der Raum.
Die noch immer wirksame Binnengliederung in ein westliches und ein östliches Europa, die oftmals zu stereotypen historischen Deutungen führt, werden durch innovative Ansätze der area studies in Frage gestellt. Indem Raumordnungen als Wissensordnungen historisiert werden und zugleich die agency historischer Akteur*innen für Kontinuitäten wie auch für Wandlungen in den Raumvorstellungen untersucht wird, werden geopolitische Vorstellungen verflüssigt und neue Perspektiven auf die Regionalität Europas, aber auch auf Europa als eine der Weltregionen ermöglicht. Neue wissensgeschichtliche Konzepte wie das der „Phantomgrenzen“ werden an der Professur an Fallstudien erprobt und weiterentwickelt, indem etwa nach der Wirkmächtigkeit der Wissensordnungen des Kalten Krieges auch über das Ende des Systemkonflikts hinaus gefragt wird.

Die zweite Kategorie, die wir wissens- und wissenschaftshistorisch hinterfragen, ist die des Geschlechts. Auf diese Weise wird die Entstehung hegemonialer Wissensordnungen historisiert und deutlich gemacht, dass die Kategorie Geschlecht bereits immer schon in bestehende Wissensordnungen eingelagert ist. Vergleiche hierzu den Forschungsschwerpunkt Zeitgeschichtliche Frauen_- und Geschlechterforschung.


Ein drittes zentrales Forschungsfeld ist das des Rechts: Hier wird etwa nach den Wechselwirkungen von lokal begrenzten ebenso wie transnationalen Verrechtlichungsprozessen mit diskursiven Ordnungen und historischen Praktiken gefragt, die selten synchron zu rechtlichen Kodifizierungen und Unifizierungen verliefen. Recht wird damit als historische Wissensressource verstanden, die ebenfalls in ihrer Kontingenz historisiert werden muss.

Schließlich gilt es, eine selbstreflexive Perspektive auf die Geschichtswissenschaft als einer Akteurin auf dem Feld von Wissensproduktion und Wissensvermittlung zu richten. Gerade die Geschichte des 20. Jahrhunderts erscheint noch immer als Schlachtfeld geschichtspolitscher und erinnerungskultureller Auseinandersetzungen. Die Aufgabe einer innovativen Zeitgeschichte besteht darin, durch reflektierte Forschung zu Versachlichung dieser Debatten beizutragen, aber zugleich sich als Teil dieser diskursiven Ordnungen zu verstehen und sich selbstkritisch darin zu verorten. Dazu gehört auch, die Grenzen der Zeitgeschichte permanent zu verschieben und auch historische Prozesse, die noch nicht abgeschlossen sind bzw. spürbar in unsere gegenwärtige Lebenswelt hineinragen, einer Historisierung zuzuführen. Die Beschäftigung mit gegenwärtigen Phänomen wie Populismus, Identitätspolitiken oder neuen Subjektivierungspraktiken im Zeitalter des Neoliberalismus soll dazu beitragen, aktuelle gesellschaftliche Konflikte in ihrer historischen Gewordenheit zu verstehen und zeithistorisch zu kontextualisieren.


 

 

Stand 7/2020

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