Österreich und Kommunismusflüchtlinge (1956-1989/90). Die Arbeit von NGOs und UNHCR
Österreich und Kommunismusflüchtlinge (1956-1989/90). Die Arbeit von NGOs und UNHCR
Dissertationsprojekt Sarah Knoll
Betreuung: Univ.-Prof. Mag. DDr. Oliver Rathkolb
Projektdurchführung: Sarah Knoll, BA MA
Finanzierung: DOC-Stipendium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Doktoratsfertigstellungsstipendium der Literar mechana
Laufzeit: 1.12.2017 – 31.5.2021
Flucht aus kommunistischen Regimen war ein ständiges Phänomen während des Kalten Kriegs und Österreich auf Grund seiner geographischen Lage an der Grenze zum „Eisernen Vorhang“ eines der Erstaufnahmeländer für jene, die den sogenannten „Ostblock“ dauerhaft verlassen wollten. Österreichs Umgang mit den Geflüchteten war jedoch von einer gewissen Ambivalenz gekennzeichnet. Aus humanitären aber auch aus politischen Überlegungen war die Republik bestrebt, politisch-verfolgten Personen zu helfen, boten doch gerade die Hilfe für Flüchtlinge aus kommunistischen Ländern nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages 1955 und die Verpflichtung zur Neutralität im herrschenden Kalten Krieg die Möglichkeit, Österreichs Bindung an den „Westen“ zu betonen. Trotzdem sah man sich selbst vor allem als Transitland und fordert internationale Unterstützung sowie die Aufnahme in anderen Ländern ein.
Das Dissertationsprojekt analysiert, ausgehend von den großen Fluchtbewegungen (Ungarn 1956, Tschechoslowakei 1968, Polen 1981/82, DDR 1989, Rumänien 1989/90), Österreichs Haltung bei deren Bewältigung in einer vergleichenden Langzeitperspektive. Berücksichtigt wird dabei vor allem die Rolle von nationalen und internationalen Hilfsorganisationen, deren Unterstützung bei Versorgung, Unterbringung und Organisation der Weiterreise in Österreich groß war und die Teil des nationalen sowie globalen Systems bei der Bewältigung von Fluchtbewegungen waren. Der Fokus liegt dabei auf der Arbeit des United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR), dem Intergovernmental Committee for European Migration (ICEM, heute International Organization for Migration IOM) und den Organisationen der Rot Kreuz-Bewegung (Internationale Komitee vom Roten Kreuz, Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften, Österreichisches Rotes Kreuz). Im Hinblick auf das Bestreben nationaler und internationaler Hilfsorganisationen sich im nach 1945 neu etablierenden globalen System des Flüchtlingsschutzes zu behaupten und zu verorten, wird ihre Rolle auch kritisch beleuchtet.
Zentral für das Projekt ist die Annahme, dass die Reaktionen von Staat, Gesellschaft und Hilfsorganisationen in Wechselwirkungen stehen und sich gegenseitig beeinflussen. Daneben stellen die wirtschaftlichen und geopolitischen Veränderungen im Kalten Krieg eine wesentliche Analysekategorie dar, die insbesondere für die Wahrnehmung der Flüchtlinge entscheidend waren und auf Österreichs Appelle um internationale Unterstützung rückwirkten. Wurde 1956 ungarischen Flüchtlingen, die als „Freiheitskämpfer“ angesehen wurden, und 1968 jenen, die nach der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ kamen, noch kollektiv Asyl gewährt, so verlor das „Feindbild Kommunismus“ mit den Jahren und im Zuge der Entspannungspolitik im Hinblick auf die Erstaufnahmebereitschaft an Strahlkraft. Als 1981 im Zuge der „polnischen Krise“ erneut Flüchtlinge ins Land kamen wurden diese vorzugsweise als „Wirtschaftsflüchtlinge“ wahrgenommen. Ähnlich erging es den 1989/90 nach Österreich kommenden Rumäninnen und Rumänien. Der Fall des „Eisernen Vorhang“ verstärkte in Politik und Medien die Ängste vor einem ungeregelten Zuzug, der Österreich auf die Dauer überfordern würde, kumulierte am Ende des Kalten Kriegs in einer von ausländerfeindlichen Ressentiments geprägten Ablehnung sogenannter „Ostflüchtlinge“ vorzugsweise aus Rumänien und mündete in die Verschärfung des Asylrechts.