Ina Markova: Tilly Spiegel. Eine politische Biografie

05.12.2019

Ottilie „Tilly“ Spiegel wurde 1906 als Tochter jüdischer Eltern in der Bukowina geboren und kam nach dem Ersten Weltkrieg nach Wien. 1927 schloss sie sich der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) an und wurde zunächst Funktionärin in der Bezirks- und in der Wiener Stadtleitung. Bereits unter der Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur verbrachte sie zwei Jahre im Gefängnis, später wurde sie auch in der Schweiz wegen der Organisation des Grenzübertritts von Interbrigadisten verhaftet und dann im Mai 1938 nach Paris ausgewiesen. Dort organisierte sie zunächst kulturelle Veranstaltungen, engagierte sich in der Flüchtlingshilfe und schloss sich nach dem Einmarsch der Wehrmacht der Résistance an, wo sie in einer führenden Rolle im Travail allemand involviert war. Nach der NS-Zeit kehrte Spiegel nach Wien zurück, stellte ihr ganzes Leben in den Dienst der KPÖ und beteiligte sich als eine der allerersten ehrenamtlichen MitarbeiterInnen an der Aufbauarbeit des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW). Wie viele andere auch brach sie 1968, im Zuge der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ mit der Partei, die ihr mehr als 40 Jahre Heimat gewesen war.

 

Die wissenschaftliche Biografieforschung hat in den letzten Jahren auch in Österreich an Bedeutung gewonnen. Weitaus seltener geraten aber diejenigen Personen in den Blick, die zwar in der „zweiten Reihe“ standen, das politische Leben Österreichs jedoch im Rahmen ihrer Möglichkeiten ebenso mitgeprägt haben. Und noch seltener sind wissenschaftliche Biografien über politisch aktive Frauen – egal ob „erste“ oder „zweite Reihe“. Diese Leerstelle steht in keinem Verhältnis zum tatsächlichen politischen Engagement von österreichischen Aktivistinnen, Politikerinnen, Gewerkschafterinnen und Widerstandskämpferinnen der letzten 100 Jahre – dieses Buch ist ein kleiner Beitrag zum Stopfen dieser Lücke.


Ina Markova studierte Geschichte in Wien, Paris und New Orleans. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen Visual History, Geschichtspolitiken und österreichische Zeitgeschichte im Allgemeinen.