Tagebücher spielen als Quelle von individueller Diktaturerfahrung eine wichtige Rolle, auch in Bezug auf die nationalsozialistische „Volksgemeinschaft". Die Analyse von Tagebüchern von Jugendlichen der „Kinderlandverschickung" als auch von Angehörigen von NS-Jugendorganisationen zeigt, dass zwischen ideologischen Vorgaben der „richtigen" Darstellung des Nationalsozialismus und realer Textproduktion erhebliche Diskrepanzen bestanden. Die Darstellung des KZ-Arztes Peter Hofer
in Eugen Kogons „SS-Staat" offenbart eine weitere Sicht auf die NS-Zeit und zeigt die Notwendigkeit quellenkritischer Lektüre auch von Berichten ehemaliger KZ-Häftlinge. Die bisherige Dekonstruktion dieser das Bild der Konzentrationslager prägenden Publikation wird hier fortgesetzt, zugleich werden Forschungsdesiderata der KZ-Geschichte deutlich. Die sich im ersten Nachkriegsjahrzehnt verändernden Sichtweisen ehemaliger Nationalsozialisten auf die Entnazifizierungsbemühungen in Österreich zwischen Entlastungsstrategien, Selbstviktimisierung und Forderungshaltung eröffnen einen Blick auf das Fortleben nationalsozialistischer Wertevorstellungen in der Zweiten Republik durch die fatale Integration in das österreichische Opferkollektiv.
Zur eLibrary von Vandenhoeck & Ruprecht: Wahrnehmungen des Nationalsozialismus
ISBN 978-3-8471-1136-8