Es gibt zahlreiche Belege für Verflechtungen zwischen dem Regionalen und Globalen und anti/koloniale Dimensionen der Tiroler Geschichte im 20. Jahrhundert, so etwa in medialen Diskursen, in Geschichten von Personen und Gruppen, in kulturellen Manifestationen, in politischen Positionierungen. Die Spuren wurden zum Teil vergessen, zum Teil zur zeitlosen Tradition mythologisiert: im periodischen Geschehen der Fasnacht, im Kolonialwarenhandel oder in Plänen, Matrei (Osttirol) als Welthauptstadt eines deutschen Kolonialreiches zu etablieren; in „Völkerschauen“ und in der Einübung und Rekonfigurierung zivilisatorischer Narrative im Zuge von Missions- und Entwicklungsarbeit. Koloniale Ordnungsmuster und Rassismen wurden jedoch auch hinterfragt, etwa im Rahmen von Solidaritätspraktiken durch Gewerkschaftsverbindungen oder Antiapartheid-Proteste. Ziel des Vortrags und Anspruch des angedachten Forschungsprojekts ist es, zu zeigen, dass der Bruch mit der dominanten Wienzentrierung bisheriger postkolonialistischer Forschungen für die österreichische Zeitgeschichte eine produktive „Entmetropolisierung“ und „Provinzialisierung“ bedeutet, die einen Blick auf andere Chronologien und die Kolonialität des Regionalen eröffnet – und damit das Regionale zugleich „entprovinzialisiert“.
Eric Burton ist Assistenzprofessor für Globalgeschichte am Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck. Zuvor Studium der Internationalen Entwicklung und Kultur- und Sozialanthropologie in Wien und Dar es Salaam; Anstellung in Forschungsprojekten an der Universität Wien und an der Universität Exeter; Gastlehre an der University of Ghana. Laufendes Habilitationsprojekt zu Kairo, Accra und Dar es Salaam als „Drehkreuze der Dekolonisierung“ für antikoloniale Befreiungsbewegungen (1956-1966).
INTERAKTIONEN – eine Vortragsreihe am Institut für Zeitgeschichte